28. Mai 2024

Digitalisierung und Medienbildung an deutschen Schulen – Studierende berichten

Vor mehr als zehn Jahren gründeten Lehramtsstudierende den Verein Kreidestaub e.V. Sie wollten sich selbst die Angebote schaffen, die sie im Lehramtsstudium vermissten. Aus der spontanen Idee, Deutschlands „beste“ Schulen auf einem Roadtrip abzufahren, entwickelte sich das Format „Lernreise“, durch das mittlerweile regelmäßig unzählige Studierende aus allen Regionen Deutschlands neue Vorstellungen davon bekommen können, wie sich Schule zeitgemäß und innovativ gestalten lässt. Jedes Semester machen sie sich freiwillig und selbstorganisiert auf den Weg, zwei Wochen lang Schulen mit besonderem Profil zu besuchen. Dabei gehen sie der Frage nach: Was macht eigentlich gute Schule aus?

Wir, das sind zehn angehende Grundschul- und Sekundarstufenlehrkräfte zwischen 24 und 42 Jahren aus Berlin und Leipzig mit verschiedenen Fächerkombinationen, haben im Rahmen der Lernreise dieses Jahr sieben sehr unterschiedliche Schulen besucht. Ob staatliche oder private Schule, ländlich oder städtisch gelegen, Grund- oder Sekundarstufe – alles haben wir gesehen und dabei festgestellt: Das Thema Digitalität ist omnipräsent.

In der ersten Reisewoche starteten wir in Potsdam und fuhren über Rostock bis nach Sylt. Die zweite Woche führte uns weiter nach Hamburg, nach Pattensen bei Hannover und in den Großraum Potsdam. Jede Schule besuchten wir einen Tag lang, wobei wir am Vormittag im Unterricht hospitierten und am Nachmittag noch ein Gespräch und eine Schulführung hatten. Viele Möglichkeiten also, Eindrücke und Fragen zu sammeln.

Die Lernreisegruppe

So beobachteten wir zum Beispiel an der Schule auf Sylt, dass jedes Klassenzimmer mit einem Smartboard ausgestattet war. Das ist mittlerweile nicht mehr unüblich. Jedoch gibt es große Unterschiede darin, wie (sinnvoll) diese Tafeln genutzt werden können. Eine Lehrkraft nutze das Board, um Reden von Hitler und Goebbels zu zeigen, die die Klasse analysierte. In einem anderen Raum wurden die Schüler:innen aktiv in den Mathematikunterricht eingebunden, indem sie selbst am Smartboard üben konnten. So konnte die Lehrkraft die Ergebnisse mit einem Klick löschen, statt aufwendig die Tafel zu wischen oder spontan schwierigere Aufgaben aufrufen.

An einer staatlichen Montessorischule in Potsdam für die Jahrgänge eins bis zwölf gab es zum Zeitpunkt unseres Besuchs gar keine festen Tafeln oder Beamer in den Räumen. Hintergrund ist, so erklärte es uns der Schulleiter im Gespräch, dass die Räume sich nicht zentral zu einer Projektionsfläche hin ausrichten sollen. Es ist eine komplette Abwendung vom dauerhaft lehrkraftzentrierten Unterricht. Um bei Bedarf dennoch Präsentationen oder Film- und Bildmaterial projizieren zu können, gibt es Medienwägen mit Beamern, die flexibel im Raum positioniert werden können.

Tablet- oder Laptop-Klassen dienen vielerorts als Pilotprojekte. Von einer flächendeckenden Ausstattung der Schüler:innen mit digitalen Endgeräten für die Schule sind wir weit entfernt. Ob das überhaupt ein erstrebenswertes Ziel ist, darüber lässt sich sicher auch streiten. Die Unterschiede sind jedoch auffällig. Eine Lehrerin einer Hamburger Grundschule mit besonders hohem Sozialindex, verzichtete auf ihr eigenes Dienst-iPad, um ihrer Klasse zumindest teilweise einen Zugang zu ermöglichen. An einigen anderen Schulen gab es wiederum Tabletkoffer, die sich die Lehrkräfte für ihren Unterricht ausleihen können und an wieder anderen Schulen sahen wir Laptopschränke, die die Schüler:innen in Absprache oder auch selbstbestimmt nutzen dürfen.

Ein Tablet aus dem Digitalpakt

Dass individuelles Engagement und Kreativität auch beim Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) essentiell sind, war schnell sichtbar. Eine Lehrerin aus einer weiterführenden Schule in Pattensen bei Hannover erzählte uns, dass sie ChatGPT zum Übersetzen von Elternbriefen und auch bei der Unterrichtsvorbereitung nutze. Im Unterricht bietet sie Reflexionsräume, doch der Großteil ihrer fünften Klasse hat bis vor kurzem selbst noch nie von dem Programm gehört. Der Einsatz im Klassenraum scheint jedoch noch wenig verbreitet zu sein. Und auch darin, wie die Kollegien über das Thema KI und ChatGPT sprechen, gibt es klare Unterschiede. Allen scheint das Thema jedoch zumindest präsent zu sein.

Nach der Reise ist unsere Erkenntnis, dass der Einsatz digitaler Medien allein noch keine innovative Schule ausmacht. Konzepte, die uns überzeugt haben, sind eine Kombination aus vielen Elementen, die Schüler:innen auf die Zukunft vorbereiten. Neben Internet, Smartboards und künstlicher Intelligenz, kann das auch Lernen an außerschulischen Orten wie Bauernhöfen, Altersheimen und Suchtkliniken sein. Inklusive Schule, selbstgesteuertes Lernen, Oasen, die einen Rückzug aus dem herausfordernden Schulalltag ermöglichen, tragen ebenso ihren Teil zu einer „guten“ Schule bei, wie ein voll besetztes Lehrkräftezimmer und jahrgangsübergreifender Unterricht.

Hauptsache ist, dass sich Schule weiterentwickelt und das flächendeckend und schneller als bisher! Besonders einig sind wir uns in der Erkenntnis, dass die Schullandschaft so divers wie unsere Gesellschaft sein sollte. Dass dabei Digitalität in all seinen Facetten Platz haben muss, ist klar, wenn Schule als Lernort relevant bleiben will.

Autor:innen: Rasmus Friedrich, Paula Deutschland
Weiterführende Informationen zu dem Projekt und dem Verein finden Sie hier.

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